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Was mir meine Tochter über die Angst lehrte oder Frederik der Tunnel

JuliaWir freuen uns sehr, dass die Salzburger Künstlerin und Autorin Julia Füreder ab sofort das Gute-Team unterstützt. Unter der Rubik „Gute! Geschichten“ lädt sie uns heute mit einer wunderbaren Kurzgeschichte ein, über Angst und wie man positiv damit umgehen kann nachzudenken,

Jeder von uns hat vor irgendetwas Angst, ob realistisch oder nicht. Viele dieser Ängste begleiten uns schon lange, ohne das wir wissen wieso.

Bei mir waren es Tunnel. Tunnel, jeder Art, vor allem die ganz langen. Ich hatte das Gefühl, kaum mehr Luft zu bekommen, wenn ich durch einen Tunnel fuhr. Ich fühlte mich eingeengt und extrem unwohl.

Lange begleitete mich diese Angst und teilweise, wenn ich wusste, dass ein langer Tunnel auf einer Strecke vor kam musste ich mich seelisch darauf vorbereiten. Zu einem Zeitpunkt in meinem Leben fühlte es sich so ungut an, dass ich gar nicht mehr alleine fahren wollte.

So kam es, dass Kevin und ich mit unserer gemeinsamen Tochter zu einer Hochzeit nach Kroatien unterwegs waren. Und wenn man weiß, wie viele Tunnel sich auf der Strecke von Salzburg nach Kroatien befinden, dann kann man sich vorstellen, wie sehr ich mich auf diese Fahrt gefreut hatte.

 

Als wir in den ersten Tunnel fuhren wurde es dunkel. Ich fühlte schon wieder dieses ungute Gefühl.

Da passierte etwas wunderschönes. Meine Tochter fragte laut in die Dunkelheit : „Wer bist denn du ?

Ich musste lachen  und antwortete ihr mit verstellter Stimme: „Ich bin Frederik, der Tunnel. Und wer bist du?“ „Ich bin die Mia“, antwortete meine Süsse freundlich. „Was machst du denn?“, fragte sie weiter. „Ich bin ein Tunnel und ich stehe hier“, antwortete ich ihr. So ging es noch eine zeitlang, bis wir den Tunnel verließen. „Tschüss Tunnel“, rief Mia fröhlich als wir wieder rausfuhren.

Ich war ganz verblüfft. Wie mutig mein kleine dreijährige Tochter doch war. Sie fragte einfach, wer denn diese Dunkelheit ist, die da gerade auftaucht. Und ich merkte, dass sich auch in mir etwas gewandelt hatte. Auf einmal war die ganze Situation mit anderen Augen betrachtet, gar nicht mehr furchteinflößend. Was für ein Geschenk!

Und ist es nicht  mit all unseren Ängsten so ? Wir sitzen davor, zittern und fürchten uns vor etwas, von dem wir glauben das es dunkel und böse ist. Wir halten schon im Vorhinein den Atem an, nur wenn wir daran denken. Wir haben aufgehört, diese Ängste zu hinterfragen, sie bestimmen uns einfach. Wie schön und lehrreich war die Reaktion von Mia. Warum nicht einfach einmal fragen, was dahinter steckt? Warum nicht die Angst, oder Situation oder den Menschen direkt ansprechen, anstatt in unseren Ahnungen und furchteinflößenden Erwartungen zu versinken? Was ist, wenn wir uns darauf einlassen, zu fragen, was denn da ist, was uns die ganze Zeit Angst macht? Was ist wenn wir die ganze Zeit an eine Lüge, an eine Geschichte geglaubt haben, die gar nicht existiert? Was ist, wenn die Realität eigentlich viel netter ist? Was ist, wenn wir unsere Ängste genau so überwinden können? Wenn wir sie einfach ansprechen und sagen : „Wer bist denn du?“ und „was machst du denn?“ Was ist, wenn die Antwort ist: „Hallo ich bins Frederik und ich bin was ich bin. Ich bin hier und nichts an mir möchte, dass Du dich bedroht fühlst, sieh mich einfach und nimm mich wahr und dann, ja dann gehe ich auch wieder vorbei. Denn du fährst weiter, auf Deinem Weg. Manchmal kommst Du mich wieder besuchen, aber diesmal weisst Du, wie Du mit mir umgehen kannst. Diesmal weisst Du, dass ich gar nicht so unfreundlich bin. Und von Tunnel zu Tunnel, wird es leichter, ja Du freust dich vielleicht sogar, mich mal wieder zu sehen. Denn jetzt weißt Du, dass Du etwas Wesentliches gelernt hast. Du musst mich nicht einfach grundlos fürchten. Du kannst herausfinden, was ich bin.“

Was für eine Erkenntnis. Ich blickte meine Tochter voller Stolz an. Welche Weisheit doch in ihr steckte, und was sie mich an diesem Tag gelehrt hatte, hatte etwas Wesentliches in meinem Denken geändert.  An diesem Tag fuhren wir noch durch viele Tunnel, doch diesmal freute ich mich. Denn jedes Mal führte Mia eine Unterhaltung mit ihrem Freund Frederik. Ich lachte und flüsterte ein leises „Danke“.

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